Was, wenn du erfahren würdest, dass gewöhnliches Vitamin K1 genauso gut oder vielleicht sogar noch besser wirkt als das teure Vitamin K2, nur dass niemand darüber redet? Kennst du Dumas‘s Geschichte vom Mann mit der eisernen Maske, in welcher einer von zwei Zwillingsbrüdern hinter einer Eisenmaske versteckt wird, während der andere das Land regiert? So ähnlich ist es auch mit den K-Vitaminen: Vitamin K1 wird hinter dem Vorwand versteckt, dass es nur die Blutgerinnung regeln würde, deswegen wird ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt, und wenn doch, dann nur unter Berufung auf minderwertige Studien.
Sowohl in Studien an Tieren als auch Humanstudien hat Vitamin K1 gleiche Wirkungen wie K2 erzielt, im direkten Vergleich stellt es K2 sogar in den Schatten, und doch hört man nichts davon. Ebenso wenig hört man davon, dass die moderne westliche Ernährung dank des Verzehrs von verarbeiteten Fleischprodukten sehr reich an K2 ist, während K2 in der Ernährung unserer Vorfahren fast gar nicht enthalten war, K1 dagegen in bis zu hundertfacher Menge.
Vergleicht man die Ernährung der westlichen Bevölkerung mit Naturvölkern und mit unseren Vorfahren, ist die Aufnahme von K1 auf einen Bruchteil geschrumpft und die Aufnahme von K2 auf ein Vielfaches angestiegen.
Ich werde meinen Artikel auf ungewohnte Weise beginnen, mit der Zusammenfassung und der Schlussfolgerung (und einer praktischen Empfehlung), da viele Leser sich vermutlich nicht gern durch womöglich langweilige Einzelheiten durchkämpfen möchten... Wessen Interesse und Leselust durch die Zusammenfassung geweckt wird, der kann unter der zusammenfassenden Tabelle weiterlesen.
Zusammenfassung und praktische Empfehlung:
Grundsätzlich scheint es langfristig vollkommen auszureichen, täglich 500-1000 mcg Vitamin K1 aufzunehmen, in wenigstens mittelmäßig gut absorbierbarer Form – das heißt, wenn die Aufnahme über Gemüse erfolgt, dann mit ausreichend Fettstoffen und möglichst hitzebehandelt, wenn sie hingegen über Ergänzungsmittel erfolgt, dann in emulgierter oder in Öl gelöster Form und zu einer Mahlzeit eingenommen. Dies gewährleistet eine Absorption von etwa 80% und eine relativ lange biologische Halbwertszeit.
Einige Medikamente (Statine, Biphosphonate, Cumarin-Derivate) hemmen die Umwandlung von K1 und MK-7 zu K2 MK-4, sodass es sich in diesem Fall anbietet, auch MK-4 ergänzend einzunehmen, täglich mindestens 1500 mcg (nach Absprache mit dem behandelnden Arzt).
Vitamin D3, Zink und Magnesium fördern die Umwandlung von K1 zu K2, während Vitamin A (Retinol) und Vitamin B6 die Wirkung von K2 steigern. Es sollte auf die richtige Menge dieser Stoffe geachtet werden.
Um das natürliche Verhältnis von MK-4 zu K1 im Gewebe zu bewahren und damit die Wirkung der K-Vitamine zu steigern sowie kontraproduktive Effekte zu vermeiden, sollte wie folgt vorgegangen werden: Bei Einnahme von K2 MK-7 sollte zusätzlich mindestens 3-mal so viel K1 eingenommen werden, bei Einnahme von MK-4 hingegen mindestens genauso viel K1, damit durch Vitamin K2 keine Probleme entstehen.
Vitamin K1 ist sicher, und wenn seine Umwandlung nicht durch die schon erwähnten Medikamente gehemmt wird, ist K1 auch das wirksamste K-Vitamin.
Als Idealfall empfehle ich die Einnahme von mindestens 500 mcg, besser jedoch 1000 mcg Vitamin K1 täglich, in emulgierter oder in Öl gelöster Form. Dazu empfehle ich optional die Einnahme von 100-200 mcg K2 MK-7, jedoch nicht mehr. Bei Vitamin K1 kann auch eine Einnahme von mehr als 1000 mcg sinnvoll sein. Eine tägliche Menge von 5 mg scheint ideal, da diese Menge in einer Studie (bei einer Einnahme über 2-4 Jahre) das Krebsrisiko auf ein Viertel und das Risiko von Knochenbrüchen auf die Hälfte senken konnte.
Eine hervorragende Grafik über die Umwandlung von K-Vitaminen im Körper aus dem Textbook of natural medicines, 5. Ausgabe, 2020, aus dem von K-Vitaminen handelnden Kapitel im Band Pharmacology of natural medicines.
Eine weitere hervorragende Grafik, die die Resorption von 900 mcg K1 + 900 mcg MK-4 + 1600 mcg MK-9 bei gesunden Menschen darstellt, bei Aufnahme über das morgendliche Butterbrot, in Butter aufgelöst.
Die Formen der K-Vitamine
Vitamin K3 (Menadion)
Menadion kommt in Lebensmitteln nicht vor, doch alle K-Vitamine, ob K1 oder K2, werden im Organismus teilweise oder vollständig zu K3 zersetzt, welches dann in K2 umgewandelt wird. Es handelt sich also um eine Übergangsform, die zwar in Lebensmitteln nicht auftritt, aber den K2-Spiegel des Organismus überaus effizient steigert (ungefähr doppelt so effizient wie K1 oder K2) und sehr billig ist, sogar billiger als K1. Deshalb wird K3 im Futter von industriell gehaltenen Tieren in riesigen Dosen verwendet, sowie in normaler Dosis auch in sonstigen Futtermitteln, z.B. Hundefutter. Der Vitamin-K2-Gehalt von Fleisch und Leber fällt aufgrund dieser K3-haltigen Futtermittel oft hoch aus.
Vitamin K1 existiert in einer einzigen Form, Phyllochinon.
Von Vitamin K2 ist nur eine Form typischerweise in tierischen und menschlichen Organismen vorhanden, Menachinon-4 (MK-4). In kleineren Mengen sind vereinzelt auch längerkettige Menachinone (LC-MK) in der Leber von Menschen oder Tieren zu finden, die von den Darmbakterien aus Vitamin K1 erzeugt wurden und in der Leber angereichert werden. Ein Beispiel hierfür ist Menachinon-7 (MK-7), aber auch alle anderen Formen von MK-5 bis MK-14 werden von den Darmbakterien produziert.
Vitamin K1 (Phyllochinon) ist in pflanzlichen Lebensmitteln reichlich enthalten, in kleineren Mengen jedoch auch in tierischen Lebensmitteln. Vitamin K2 (Menachinon) hingegen tritt außer in gereiften Käsesorten, fermentiertem Soja (Natto) und tierischen Lebensmitteln von mit hochdosiert K3-haltigem Futter gefütterten Tieren nicht in Lebensmitteln auf, bzw. nur in Spuren.
Beurteilung von K-Vitaminen anhand der Ernährung unserer Vorfahren und von Naturvölkern
In der Ernährung von Naturvölkern ist Vitamin K1 in großen Mengen enthalten (durchschnittlich ca. 1000 mcg pro Tag). Zudem hat sich unsere Spezies in der am ostafrikanischen Meeresufer durchlaufenen Evolutionsphase der „Wasseraffen“ über Jahrmillionen vermutlich von an Vitamin K1 besonders reichen „Meerespflanzen“ ernährt, über die eine Aufnahme von bis zu 1 Mio. mcg Vitamin K1 pro Tag möglich war (noch dazu haben diese auch einen hohen Gehalt an Omega-3 DHA).
Ob es so gewesen ist oder nicht, in der heutigen modernen Ernährung ist die Zufuhr von Vitamin K1 verglichen mit der von Naturvölkern jedenfalls auf ein gutes Zehntel geschrumpft. Im Gegensatz dazu ist unsere K2-Zufuhr auf ein 10- bis 100-faches gestiegen, da Vitamin K2 praktisch erst seit ein paar hundert Jahren über Lebensmittel verfügbar ist: Die bei weitem reichhaltigsten Quellen hierfür sind Käse oder fermentiertes Soja und vor allem moderne verarbeitete und sonstige industriell hergestellte Fleischprodukte. In keinem Körperteil weder von freilaufend gehaltenen noch wild lebenden Tieren wurde bisher ein K2-Gehalt von über 10 mcg/100 g gemessen, typisch ist eher ein Wert von 1-2 mcg/100 g.
Ein hoher Gehalt von Vitamin K2 in tierischen Lebensmitteln wurde nur dort gemessen, wo die Tiere über das Futtermittel ca. 100-mal mehr Vitamin K aufnahmen, als es bei ihrer natürlichen Ernährungsweise der Fall wäre. Minderwertige Futtermittel werden mit riesigen Dosen synthetischem K3 angereichert, da dies billiger ist, als für angemessenes Futter zu sorgen. Zudem kann es wegen der schlechten Haltungsbedingungen auch zum Fressen von Kot kommen. Bei hoher Vitamin-K-Zufuhr hat Kot einen sehr hohen K2-Gehalt, sodass das Fressen der Ausscheidungen den K2-Spiegel im Fleisch und Gewebe stark erhöht.
Lebensmittel von Schweinen aus derartiger industrieller Tierhaltung enthalten laut einer neueren Messung 300-500 mcg K2 pro 100g, selbst frisch enthält ihr Fleisch bis zu 100 mcg K2, vor allem in den Formen MK-8/9/10/11, die auch im Kot dominieren. Auch Leberpastete von Gänsen, die mit K3-angereichertem Mais gestopft wurden, enthält fast 400 mcg K2, aber in der Form MK-4 (da gestopfte Gänse keinen Kot fressen), und auch ihr Keulenfleisch enthält 30 mcg MK-4 (auch in Hähnchenkeulen wurden schon 60 mcg/100 g gemessen). Das bedeutet, dass die Praxis der Anreicherung von Futter mit enormen Dosen von Vitamin K3 zu einem hohen K2-Spiegel in modernen, auf diesen Futtermitteln beruhenden Fleischwaren führt.
Es ist annehmbar, dass eine hohe Dosis K3 einen hohen MK-4-Spiegel verursacht, wenn das Tier keinen oder kaum Kot frisst. Wenn es das jedoch häufig tut, dann führt dies zur Aufnahme von sehr viel MK-8 bis MK-11, welche eine sehr lange biologische Halbwertszeit haben, sodass sie verglichen mit MK-4 im Fleisch dominieren.
Wie es sich auch verhalten mag, scheint es recht offensichtlich, dass keinerlei Lebensmittel, die vor Jahrtausenden existiert haben, einen K2-Gehalt von über 10 mcg/100 g gehabt haben können, es sei denn, der Mensch hätte Kot verzehrt (das Volk der Hadza bereitet zum Beispiel Suppe aus tierischen Ausscheidungen zu, die mit stärkehaltigen Knollen und Gewürzen eingekocht werden). Abgesehen vom Verzehr von Kot konnte der Mensch Vitamin K2 allerdings nur in der Form MK-4 aufnehmen, und es ist unwahrscheinlich, dass auf diese Weise selbst eine K2-Zufuhr von nur 100 mcg pro Tag auch nur annähernd hätte erreicht werden können - eine Menge, die völlig nichtig ist, da MK-4 bei einer Dosis unter 600 mcg keine Wirkung hat und vermutlich nicht einmal in den Blutkreislauf gelangt. Beim Volk der Yupik, das sehr wenig pflanzliche Lebensmittel verzehrt und sich fast ausschließlich tierisch ernährt, wurde zum Beispiel ein ausgesprochener Vitamin-K2-Mangel festgestellt. Bei vielen von ihnen erhält der Körper nicht einmal ausreichend Vitamin K, um die Blutgerinnungsfaktoren angemessen zu aktivieren.
Zusammengefasst hat sich also die K1-Zufuhr des modernen Menschen auf einen Bruchteil reduziert, während die K2-Zufuhr auf ein vielfaches angestiegen ist.
Das ist auch deshalb überraschend, weil menschliche und tierische Organismen mehr MK-4 als K1 enthalten, und keinerlei sonstiges K2. Daraus folgt, dass eine große Menge K1 schon an sich ausreichen würde, um den für den Organismus optimalen K2-Spiegel zu gewährleisten. Wie funktioniert das genau?
Von jedwedem Vitamin K, das wir hinunterschlucken, wird ein Großteil in den Darmzellen schon während der Absorption zu K3 umgewandelt (auch bei Aufnahme von MK-4 wird dieses zuerst teilweise oder vollständig in K3 umgewandelt). Das so aus K1 und K2 entstandene K3 gelangt über die Blutbahn ins Gewebe, wo es vom Enzym UBIAD1 zu K2 MK-4 umgewandelt wird.
Aufgenommenes Vitamin K, das nicht zu K3 umgewandelt wird, sondern in unveränderter Form ins Gewebe gelangt und so dort eingelagert wird, wandelt das Gewebe später je nach Bedarf in K3 und schließlich in MK-4 um. Dies läuft jedoch viel langsamer ab, denn obwohl das Enzym UBIAD1 auch in der Lage ist, K1 in K3 umzuwandeln, liegt seine Stärke doch in der Umwandlung von K3 zu MK-4. Darüber hinaus ist auch noch die Leber dazu fähig, K1 in K2 MK-4 umzuwandeln (was durch Vitamin D3 gefördert wird).
Bei Vitamin K1 wird sogar auch der nicht absorbierte Anteil noch zu K2 umgewandelt! Auch beim modernen westlichen Menschen wandeln die Darmbakterien nahezu 100% des Vitamin K1 in K2 um (MK-8/9/10 usw.). Davon schafft es zwar nur ein kleiner Teil über die Leber hinaus bis in den Blutkreislauf, doch das liegt teilweise vermutlich an der niedrigen Konzentration – über eine höhere K1-Zufuhr lässt sich die Konzentration also erhöhen, sodass mehr K2 ankommt.
Der Punkt ist also, dass die Konversion von K1 zu K2 beim Menschen und bei Tieren von zahlreichen bekannten Mechanismen gewährleistet wird. Es wurde eine Reihe von Studien durchgeführt, die den Schluss zulassen, dass die Konversion K1->K3->MK-4 beim Menschen und bei Mäusen gleich funktioniert, ebenso wie die Produktion von K2 (MK-8/9 usw.) aus K1 im Darm. In einer Untersuchung an gesunden Menschen hat man versucht herauszufinden, wie groß der Anteil von oral eingenommenem hochdosiertem K1 ist, der zu K3 und nach der Absorption dann innerhalb von 24 Stunden zu K2 umgewandelt wird, und hat festgestellt, dass er 8-30% der eingenommenen Dosis beträgt. Umgerechnet auf die absorbierte Dosis bedeutet das eine Umwandlung von ca. 50% – darin ist allerdings noch nicht enthalten, dass das K1 im Gewebe oder von den Darmbakterien auch später noch umgewandelt wird.
Jedes Gewebe hat ein eigenes Idealverhältnis der K-Vitamine (MK-4/K1). Im Gewebe kann K1 zu K2 (MK-4) umgewandelt werden, es gibt jedoch auch Gewebearten, die K1 nicht vollständig umwandeln, da sie es K2 vorziehen. Da K2 nicht zu K1 umgewandelt werden kann, kann eine zu hohe Dosis K2 das Verhältnis kippen, was mit K1 nicht möglich ist. Vitamin K1 erhöht den K2-Spiegel im gleichen Maße wie bei der Einnahme von K2 MK-4 selbst, und das unter Beibehaltung des für das Gewebe idealen MK-4/K1-Verhältnisses.
Verwertung
Am besten kann der Organismus K2 MK-7 verwerten, von welchem die eingenommene Dosis nahezu vollständig verwertet wird, während bei Vitamin K1 nur höchstens 80% verwertet werden können. MK-4 kann bei Dosen unter 600 mcg vermutlich überhaupt keine Wirkung entfalten. Bei einer Dosis von 1000 mcg aufgelöst in Butter wirkt es ungefähr ein Drittel so stark wie auf die selbe Weise aufgenommenes K1. MK-4 wird im Blut am schnellsten abgebaut (seine biologische Halbwertszeit beträgt ca. 4 Stunden), während K1 sowie K2 MK-7 und MK-9 bei einer Einnahme zu einer Mahlzeit, aufgelöst in Öl, eine Halbwertszeit von ca. 6-7 Stunden haben. Allerdings haben MK-7 und MK-9 auch eine sekundäre Halbwertszeit, das heißt, nachdem ihr Gehalt im Organismus auf die Hälfte bzw. ein Viertel gesunken ist, halbiert er sich nur noch alle 2 Tage weiter.
Im Großen und Ganzen bedeutet das, dass 200 mcg MK-7 in ihrer Wirkung etwa 600 mcg K1 bzw. 1800 mcg K2 MK-4 entsprechen, wenn wir annehmen, dass K1 und MK-7 bei Bedarf auch in MK-4 umgewandelt werden können. (Im Fall von K1 natürlich nicht in vollem Umfang, da auch K1 selbst im Gewebe benötigt wird, nicht nur MK-4. Im Gegensatz dazu muss MK-7 allerdings vollständig umgewandelt werden, und genau deshalb kann es zu Problemen führen, zu viel K2 und zu wenig K1 einzunehmen.)
Wenn alles so ist, wie ich es dargelegt habe, dann müssten Studien mit K1 ähnliche oder bessere Effekte zur Steigerung des Wohlbefindens und zur Senkung des Krankheitsrisikos aufweisen wie Studien mit K2, vor allem bei Studien, in denen K1 direkt mit K2 verglichen wird. Und genau so ist es auch! Bevor es ans Eingemachte geht, schauen wir uns an, anhand welcher Studien man häufig versucht hat abzuleiten, dass K1 nicht wirksam sei:
- In-vitro-Studien: Das bedarf keines Kommentars, denn K1 kann schließlich nur in lebenden Organismen zu K2 umgewandelt werden.
- Rotterdam-Studie und Co.: Hierbei handelt es sich um epidemiologische Untersuchungen, demnach können sie nur eine Korrelation nachweisen, einen kausalen Zusammenhang jedoch nicht. Einige solcher Studien haben festgestellt, dass bei Probanden, die laut Fragebogen viel Gourmet-Käse verzehrten (der eine Quelle von K2 ist), das Risiko einiger kardiovaskulärer Probleme geringer war als bei den Probanden mit dem niedrigstem Käsekonsum. Die Differenz in der Ernährung der Probanden machte 14 mcg K2 aus (7 mcg MK-9 + 7 mcg MK-4). Die Gruppe mit der geringsten K1-Zufuhr nahm ca. 150 mcg K1 auf, die mit der höchsten Zufuhr dagegen 300 mcg. Eine erhöhte Zufuhr von K1 senkte das Krankheitsrisiko in geringerem Maße als eine hohe Zufuhr von K2, weshalb man in diesem Zusammenhang auf diese Studien verweist. Allerdings wird von 300 mcg K1, das nicht als Ergänzungsmittel aufgenommen wird, sondern z.B. über Gemüse, nur geringfügig mehr absorbiert als die Menge, die von der Leber benötigt wird, sodass es nicht überraschend ist, dass zwischen der Wirkung einer sehr niedrigen und einer extrem niedrigen K1-Zufuhr kaum ein Unterschied festgestellt wurde. Überraschend ist eher, was an diesen Gourmet-Käsesorten das besondere sein kann. Oder mag es einfach daran liegen, dass Gourmets weniger Junk Food essen?
Seit 2016 wissen wir allerdings, dass durch den Konsum von verarbeiteten Fleischprodukten bis zu 10-20-mal mehr K2 aufgenommen wird als durch den Verzehr von Käse, obwohl man hier zuvor einen Wert von fast Null angenommen hatte. Daher mussten alle K2-Studien, in denen für industrielle Fleischwaren ein K2-Gehalt von ungefähr Null angesetzt wurde, für nichtig erklärt oder nachträglich neuberechnet werden. Davon sind alle Studien betroffen. Später wurde in einer genauer aufgestellten griechischen Studie festgestellt, dass sich bei Probanden mit einer höheren K1-Zufuhr (durchschn. 600 mcg) die Zahl weiterer kardiovaskulärer Probleme verglichen mit der Rotterdam-Studie auf die Hälfte reduzierte und sogar das Krebsrisiko und die Gesamtsterblichkeit erheblich zurückgingen. Zudem wurden K1 und K2 hier auch gleichzeitig untersucht, nicht nur separat.
Eine erhöhte Zufuhr von K2 wurde nicht für wirksam befunden, obwohl die Dosis hier höher war als in der Rotterdam-Studie und auch größere Unterschiede untersucht wurden. All dies sagt jedoch nichts aus, denn der erhöhte K2-Gehalt von Fleischwaren wurde auch in dieser Studie nicht einberechnet, sodass die Feststellungen zu K2 auch hier falsch sind. Die Erkenntnis über K1 ist jedoch richtig, da die K1-Zufuhr ausreichend hoch dazu war, dass über die Aktivierung der Blutgerinnungsfaktoren hinaus genug K1 in die Gewebe gelangen konnte.
Statine und Bisphosphonate hemmen die Umwandlung von K1 zu K2. Daher werden Studien, die unter Einnahme von Medikamenten, die diese Stoffe enthalten, durchgeführt wurden, ebenfalls ungerechtfertigterweise herangeführt, denn hier wurde der Wirkstoff gewissermaßen sabotiert: Eine derartige an Mäusen durchgeführte Studie wurde mehrfach als Negativbeispiel angeführt. Mit der Studie wollten die Forscher lediglich belegen, dass K1 zu K2 (MK-4) umgewandelt werden muss, damit es seinen Effekt zur Reduktion von Gefäßverkalkung entfalten kann.
Während der gesamten Studie wurde den Mäusen neben K1 oder K2 MK-4 über Monate hinweg auch ein Medikament verabreicht, das die Umwandlung hemmt (Warfarin). Mit K2 (MK-4) konnte Gefäßverkalkung verhindert werden, mit K1 jedoch nicht. Das heißt, wenn die Umwandlung von K1 zu K2 MK-4 behindert wird, dann hat K1 keine Wirkung. (Dies wurde zwar nicht untersucht, doch ich halte es für sicher, dass auch MK-7 keine Wirkung gezeigt hätte, da es ebenfalls in MK-4 umgewandelt werden müsste.)
In einer anderen, späteren Studie wurde Mäusen mit schwerer Aorta- und Herzkranzgefäßverkalkung ohne Zugabe des die Umwandlung blockierenden Medikaments hochdosiertes K1 oder K2 MK-4 verabreicht (auf den Menschen umgerechnet ca. 50 mg pro Tag). Beide Vitamine konnten die Ablagerung von Kalk innerhalb von 6 Monaten umkehren und auf etwa die Hälfte reduzieren.
K1 war deutlich wirksamer als MK-4, was daran liegen kann, dass die Verabreichung von MK-4 das Idealverhältnis von MK-4 zu K1 im Gewebe aus dem Gleichgewicht gebracht hat, während es bei Verabreichung von K1 beibehalten wurde, und K1 unterdessen trotzdem den MK-4-Spiegel im Gewebe genauso erhöhen konnte wie MK-4 selbst.
Humanstudien
Da nun alle Widersprüche erklärt sind, wenden wir uns der wesentlichen Frage zu: Konnte die Wirkung der Vitamine durch Interventionsstudien am Menschen bestätigt werden?
Aktivierung von Osteocalcin und MGP: Der Indikator für den Effekt der K-Vitamine auf das Herz-Kreislauf-System, das Verkalkungsrisiko, Zähne und Haut ist, wie wirksam sie MGP (das Matrix-Gla-Protein) im Blut aktivieren, während der Indikator für ihren Effekt auf Knochen und Gebiss ist, wie gut sie Osteocalcin aktivieren. Laut klinischer Humanstudien war die Aktivierung beider Stoffe im Fall von K1 besser, und das bei einer Dosis von nur 500-1000 mcg. Ein vergleichbares Ergebnis konnte, unabhängig von der Dosis, mit keiner Form von K2 erreicht werden, selbst mit einer Dosis von 45000 mcg K2 MK-4 nur beinahe.
Epidemiologische Studien sind im Zusammenhang mit der Rotterdam-Studie bereits erwähnt worden, dabei sind sie eigentlich keine Erwähnung wert, da sie irrelevant sind und von falschen Daten ausgehen, wie sich vor ein paar Jahren herausgestellt hat.
In placebokontrollierten Studien zur Wirkung auf die Knochen hatten Dosen von 500 mcg bis 5 mg Vitamin K1 einen ähnlich starken Effekt wie eine Dosis von 45 mg (45000 mcg) MK-4. MK-7 war in Dosen zwischen 100 und 180 mcg wirksam, wenn auch deutlich weniger als K1 oder MK-4. Sowohl K1 als auch K2 (aber nicht MK-7) waren in der Lage, Osteoporose nicht nur zu verlangsamen oder zu stoppen, sondern sogar rückgängig zu machen. Über MK-4 gibt es mehrere Studien, in allen davon wurden 45 mg dosiert. Für K1 betrug die höchste Dosis, an welcher die Wirkung auf die Knochen über einen längeren Zeitraum untersucht wurde, 5 mg. Dass K1 auch in einer so viel geringeren Dosis wirksam ist, und sogar wirksamer als K2 MK-4, ist einerseits mit der Bewahrung des Idealverhältnisses im Gewebe und andererseits auch mit seiner besseren Resorptionsfähigkeit zu erklären.
In Studien zum Effekt auf das Herz-Kreislauf-System war K1 am wirksamsten, in Dosen von 0,5-5 mg. Bei einer Dosis von 45 mg hatte auch MK-4 einen Effekt, allerdings einen geringeren. MK-7 wurde zur Vorbeugung oder Behandlung von Verkalkung oder sonstigen kardiovaskulären Problemen in keiner Studie für wirksam befunden.
In der aktuellsten Studie, in welcher die bisher genaueste Messmethode zur Ermittlung der Kalzifikation verwendet wurde, stellte man sogar fest, dass die Kalzifikation in den Blutgefäßen durch die Einnahme von 360 mcg K2 MK-7 verglichen mit der Kontrollgruppe um 10% anstieg, statt zu sinken. (Diese Dosis ist für MK-7 unrealistisch hoch, denn auch beim höchstmöglichen Gehalt von MK-7 in der Ernährung werden durchschnittlich weniger als 200 mcg MK-7 pro Tag aufgenommen. Aufgrund der langen biologischen Halbwertszeit wird eine so hohe Dosis bei täglicher Einnahme akkumuliert und kann so das Verhältnis von MK-4 zu K1 im Gewebe verschieben.
Vergleiche unter gleichen Bedingungen
Natürlich sollten K1 und K2 einander korrekterweise nur gegenübergestellt werden, indem sie in der gleichen Studie, mit der gleichen Methodik und unter an den gleichen Probanden randomisiert untersucht werden. Zwei derartige Studien gibt es zum Glück, danach wurden keine weiteren mehr durchgeführt, da es für die Hersteller eine finanziell schmerzhafte Erkenntnis war, dass das bis zu 100-mal günstigere Vitamin K1 besser wirkt als das teure K2... In einer dieser Studien wurde die Wirkung von 45 mg K2 MK-4 pro Tag mit der Wirkung von 1 mg Vitamin K1 pro Tag verglichen. Beide Präparate zeigten die gleiche Wirkung, K1 war sogar ein kleines bisschen wirksamer. (Beide konnten einer Veränderung der BMD-Werte vorbeugen, aber die Aktivierung von Osteocalcin war mit 1 mg K1 etwas effektiver als mit 45 mg K2!)
In einer anderen Studie wurde eine sowieso schon 100-150 mcg K1 enthaltende Ernährung durch die Einnahme von 100 mcg K1 oder K2 MK-7 ergänzt. Die Knochendichte der unteren Wirbelsäule konnte mit K1 bedeutend effizienter erhöht werden (3-mal besser) als mit K2, während K1 und K2 sich in ihren sonstigen Wirkungen deckten, z.B. konnten beide die Verkalkung von Weichgewebe reduzieren.
Abschließend sollten auch die Studien zu Krebserkrankungen erwähnt werden: Den stärksten Effekt hat bei der Tumorbekämpfung Vitamin K3, das aus jedwedem K-Vitamin ungefähr in gleichem Maße produziert wird. Deshalb scheint auch hier K1 am praktischsten und vielleicht sogar am besten zu sein, da es am billigsten ist und eine mindestens 3-mal so gute Resorption hat wie K2 MK-4. Die Resorption von MK-7 ist zwar noch 3-mal besser als die von K1, doch einerseits ist MK-7 100-mal teurer, andererseits besteht bei einer Dosis von 360 mcg bereits das Risiko negativer Effekte – für die Bekämpfung von Tumoren sind allerdings Dosen im Milligramm-Bereich nötig.
In einer Studie wurden 440 Frauen nach den Wechseljahren über 4 Jahre hinweg pro Tag 5 mg K1 oder Placebopräparate verabreicht. Vitamin K1 konnte das Auftreten von Krebserkrankungen verglichen mit der Placebo-Gruppe um drei Viertel reduzieren und das Auftreten von Knochenbrüchen um die Hälfte! Zum Zusammenhang von K1 und Krebs ist dies die einzige placebokontrollierte Studie. Dies entspricht ungefähr der Wirkung, die bei 45 mg MK-4 pro Tag oder noch höheren Dosen in mehreren Studien beobachtet wurde.
Darüber hinaus existiert eine weitere Studie zu K1 und K2 MK-4, in welcher mit Dosen von 40-45 mg oder mehr eine Verkleinerung von Tumoren oder sogar eine vollständige Genesung erzielt wurde. In einer Studie zu K1 konnte bei etwa 75% der 50 Probanden eine Stabilisierung ihres Zustandes erreicht werden, bei 15% von ihnen sogar eine Verkleinerung des Tumors. Es handelte sich um unoperierbare Fälle von Leberkrebs mit Metastasen im Endstadium, sodass dieses Ergebnis als überraschend positiv zu werten ist.