Vitamin E Lebensmittel: Quellen, Wirkung und wichtige Informationen
26. November 2024

Vitamin E Lebensmittel: Quellen, Wirkung und wichtige Informationen

Nachdem man erkannt hat, dass Vitamin E antioxidativ wirkt, kam die Vermutung auf, es könnte zur Vorbeugung verschiedener chronischen Erkrankungen beitragen. Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass sich das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch eine erhöhte Vitamin-E-Zufuhr deutlich senken lässt. (1,2) Daraufhin versuchten Forscher herauszufinden, ob das Vitamin auch die Krebsprävention unterstützen kann – in dieser Frage kam man jedoch zu sehr gemischten und widersprüchlichen Ergebnissen. Das mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, doch bei genauerer Betrachtung der Studien wird vieles klarer. 

Vitamin E ist nützlich, doch ist eine Supplementierung schädlich?

Diese widersprüchlichen Ergebnisse werden in zwei Studien gut dargestellt: SELECT (3, 4) und ATBC.  (5,6)  

In der SELECT-Studie wurde die Wirkung von Vitamin E und Selen in Zusammenhang mit Prostatakrebs untersucht. Es wurden 400 Internationale Einheiten (IE) Alpha-Tocopherol angewandt, was einem Zwanzigfachen der empfohlenen Tagesdosis entspricht und bedeutend mehr ist, als über natürliche Lebensmittel aufgenommen werden könnte.  

In der ATBC-Studie wurden 50 mg Alpha-Tocopherol verabreicht, was 100 IE entspricht. Das kommt einer realistischen Einnahmemenge schon deutlich näher, ist aber immer noch eine höhere Zufuhr, als durch eine gesunde Ernährung möglich wäre.  

Es ist wichtig zu betonen, dass in beiden Studien nahezu ausschließlich Alpha-Tocopherol verabreicht wurde, da die Forscher dieses als die alleinige Ursache für die antioxidative Wirkung von Vitamin E betrachteten. Daher enthielt das in den Studien eingenommene Vitamin E fast hundertmal so viel Alpha-Tocopherol, wie in einer gesunden Ernährung enthalten ist, während die anderen Tocopherole aber fast gar nicht vorhanden waren.  

Überraschende Ergebnisse 

In der SELECT-Studie kam man zu dem Ergebnis, dass die Supplementierung von Vitamin E das Risiko einer Prostatakrebserkrankung um 17 % steigerte, was in der Gruppe, die auch Selen einnahm, nicht zu beobachten war. Es ist wichtig zu betonen, dass bei den meisten betroffenen Probanden mittels eines PSA-Tests Prostatakrebs im frühen Stadium diagnostiziert wurde – allerdings schreiten Prostatakrebserkrankungen, die mit dieser Art von Test diagnostiziert werden, oft nicht weiter voran.  

In der an männlichen Rauchern durchgeführten ATBC-Studie senkte die Einnahme von Vitamin E das Risiko der Entstehung von Prostatakrebs um 32 % und das Risiko eines tödlichen Verlaufs um 41 %. (6)  

Für diese widersprüchlichen Ergebnisse kann es mehrere Gründe geben. Es ist möglich, dass Vitamin E bei gesteigerter oxidativer Belastung durch Rauchen wirksamer ist. Genauso ist auch vorstellbar, dass Vitamin E in einer realistischen Dosis zwar antioxidativ wirkt, in zu hoher Dosis jedoch den oxidativen Stress erhöht, ähnlich wie andere Antioxidantien. Diese Theorie wird von einem weiteren untersuchten Nährstoff, Beta-Carotin, bestätigt. Dieses verfügt ebenfalls über eine Zahl positiver Effekte, aber nur dann, wenn es über die Ernährung aufgenommen wird. Eine zu hoch dosierte Einnahme von synthetischem Beta-Carotin führte in derselben Studie zu einer Steigerung des Lungenkrebsrisikos. 

Weitere interessante Informationen 

Bei der Analyse der Daten der ATBC-Studie 30 Jahre nach deren Beginn stellte sich heraus, dass mit steigendem Alpha-Tocopherol-Spiegel das Risiko der meisten chronischen Erkrankungen proportional zurückging. (7) Allerdings hatte eine Supplementierung von Alpha-Tocopherol in den meisten Studien keinen bedeutenden Effekt auf diese Krankheiten.  

Der Fall von Gamma-Tocopherol ist genauso interessant: In Tiermodellen und Zellkulturen wurden bereits zahlreiche positive, entzündungshemmende und gegen Krebs wirkende Effekte nachgewiesen, doch eine relativ neue Studie kam zu dem überraschenden Ergebnis, dass bei Probanden mit höherem Gamma-Tocopherol-Spiegel die Häufigkeit von Erkrankungen und Todesfällen deutlich anstieg.  (8)  

Wodurch sind diese widersprüchlichen Ergebnisse zu erklären? 

Dass die Supplementierung von Vitamin E in den meisten Studien keine positive Wirkung zeigte, liegt vermutlich daran, dass es in unnatürlich hohen Dosen eingesetzt wurde. Noch dazu erfolgte die Einnahme in Form von synthetischem dl-Alpha-Tocopherol statt in einer Mischform, wie es in natürlichen Lebensmitteln vorkommt. Eine zu hohe Dosis Alpha-Tocopherol senkt den Spiegel der anderen Tocopherole und kippt somit ihr Verhältnis im Organismus. (9)  

Im Fall der Studie, die ergab, dass bei einem erhöhten Gamma-Tocopherol-Spiegel auch das Todesrisiko ansteigt, wird davon ausgegangen, dass der Gamma-Tocopherol-Spiegel mit dem Entzündungsgeschehen weiter ansteigt. Das heißt, dass Gamma-Tocopherol selbst zwar tatsächlich entzündungshemmend, antioxidativ und schützend wirkt, sich bei schweren Erkrankungen jedoch sein Spiegel erhöht. 

Die Quelle zählt 

Es ist außerdem vorstellbar, dass das von den untersuchten Amerikanern eingenommene Gamma-Tocopherol eher schädlich als nützlich war, weil es vorwiegend aus Sojaöl und sonstigen pflanzlichen Ölen mit hohem Omega-6-Gehalt stammte. Denn obwohl Vitamin E an sich positiv wirkt, ist es wichtig, dessen Zufuhr über Quellen zu decken, die nicht zu viele mehrfach ungesättigte Omega-6- oder Omega-3-Fettsäuren enthalten, da Vitamin E vor allem vor der durch diese Fettsäuren verursachten Lipidperoxidation schützt. Im Zuge der Lipidperoxidation reagieren die Doppelbindungen der ungesättigten Fettsäuren mit Sauerstoff, was zur Schädigung der Zellen im Organismus führt und außerdem eine Kettenreaktion auslöst, durch die noch mehr freie Radikale entstehen. Vitamin E schützt hauptsächlich vor diesem Prozess und die meisten seiner positiven Wirkungen sind hierdurch zu erklären. 

Somit sollte Vitamin E am besten in natürlicher Form und realistischer Dosis supplementiert werden, über Präparate mit gemischten Tocopherolen und Tocotrienolen, die keine großen Mengen mehrfach ungesättigter Fettsäuren enthalten. Zusätzlich ist Vitamin E in Lebensmitteln wie Nüssen und Samen zu finden, über die der Vitamin E Bedarf ebenfalls gedeckt werden kann. Sollte ein Vitamin E Mangel vorliegen, ist es aber einfacher, den Tagesbedarf mit Hilfe von entsprechenden Präparaten zu decken.

  1. Rimm EB, Stampfer MJ, Ascherio A, Giovannucci E, Colditz GA, Willett WC. Vitamin E consumption and the risk of coronary heart disease in men. N Engl J Med. 1993 May 20;328(20):1450-6. doi: 10.1056/NEJM199305203282004. PMID: 8479464. 

  2. Stampfer MJ, Hennekens CH, Manson JE, Colditz GA, Rosner B, Willett WC. Vitamin E consumption and the risk of coronary disease in women. N Engl J Med. 1993 May 20;328(20):1444-9. doi: 10.1056/NEJM199305203282003. PMID: 8479463. 

  3. Lippman SM, Klein EA, Goodman PJ, Lucia MS, Thompson IM, Ford LG, Parnes HL, Minasian LM, Gaziano JM, Hartline JA, Parsons JK, Bearden JD 3rd, Crawford ED, Goodman GE, Claudio J, Winquist E, Cook ED, Karp DD, Walther P, Lieber MM, Kristal AR, Darke AK, Arnold KB, Ganz PA, Santella RM, Albanes D, Taylor PR, Probstfield JL, Jagpal TJ, Crowley JJ, Meyskens FL Jr, Baker LH, Coltman CA Jr. Effect of selenium and vitamin E on risk of prostate cancer and other cancers: the Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (SELECT). JAMA. 2009 Jan 7;301(1):39-51. doi: 10.1001/jama.2008.864. Epub 2008 Dec 9. PMID: 19066370; PMCID: PMC3682779. 

  4. Klein EA, Thompson IM Jr, Tangen CM, Crowley JJ, Lucia MS, Goodman PJ, Minasian LM, Ford LG, Parnes HL, Gaziano JM, Karp DD, Lieber MM, Walther PJ, Klotz L, Parsons JK, Chin JL, Darke AK, Lippman SM, Goodman GE, Meyskens FL Jr, Baker LH. Vitamin E and the risk of prostate cancer: the Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (SELECT). JAMA. 2011 Oct 12;306(14):1549-56. doi: 10.1001/jama.2011.1437. PMID: 21990298; PMCID: PMC4169010. 

  5. Alpha-Tocopherol, Beta Carotene Cancer Prevention Study Group. The effect of vitamin E and beta carotene on the incidence of lung cancer and other cancers in male smokers. N Engl J Med. 1994 Apr 14;330(15):1029-35. doi: 10.1056/NEJM199404143301501. PMID: 8127329. 

  6. Heinonen OP, Albanes D, Virtamo J, Taylor PR, Huttunen JK, Hartman AM, Haapakoski J, Malila N, Rautalahti M, Ripatti S, Mäenpää H, Teerenhovi L, Koss L, Virolainen M, Edwards BK. Prostate cancer and supplementation with alpha-tocopherol and beta-carotene: incidence and mortality in a controlled trial. J Natl Cancer Inst. 1998 Mar 18;90(6):440-6. doi: 10.1093/jnci/90.6.440. PMID: 9521168. 

  7. Huang J, Weinstein SJ, Yu K, Männistö S, Albanes D. Relationship Between Serum Alpha-Tocopherol and Overall and Cause-Specific Mortality. Circ Res. 2019 Jun 21;125(1):29-40. doi: 10.1161/CIRCRESAHA.119.314944. Epub 2019 May 6. PMID: 31219752. 

  8. Chai W, Maskarinec G, Franke AA, Monroe KR, Park SY, Kolonel LN, Wilkens LR, Le Marchand L, Cooney RV. Association of serum γ-tocopherol levels with mortality: the Multiethnic Cohort Study. Eur J Clin Nutr. 2020 Jan;74(1):87-96. doi: 10.1038/s41430-019-0460-7. Epub 2019 Jun 26. PMID: 31243335; PMCID: PMC6930982. 

  9. Huang HY, Appel LJ. Supplementation of diets with alpha-tocopherol reduces serum concentrations of gamma- and delta-tocopherol in humans. J Nutr. 2003 Oct;133(10):3137-40. doi: 10.1093/jn/133.10.3137. PMID: 14519797.